Eine Italienerin in London: Wie britisch bin ich?


Also, ich lebe jetzt seit drei Jahren unter den Briten. Und so ganz einfach ist das nicht. Ich glaube aber, ich werde langsam wirklich englisch – ich gewöhne mich an Dinge, über die ich zuvor nicht einmal nachdenken wollte!

Da wären zunächst einmal meine Essgewohnheiten. Die haben sich durch das Leben in London sehr verändert, und nicht zum Guten. Ich habe früher nie Pommes gegessen. Jetzt esse ich sie sogar zum Frühstück, als perfekte Ergänzung zum traditionellen English Breakfast mit Eiern, Speck und Bohnen. Perfekt schon, aber nur, wenn man hohe Cholesterinwerte anstrebt. Aber jetzt, wo ich mich daran gewöhnt habe, schmeckt mir das englische Frühstück. Es ist übrigens auch das perfekte Gegenmittel gegen den Kater am Samstagmorgen.

Aber nicht nur das Frühstück ist anders. In Italien ist Tee mit Milch verpönt wie Pasta mit Ketchup. Man wird angestarrt, als habe man den Verstand verloren. Letztes Mal, als ich in Italien war, habe ich in einem Café Tee mit Milch bestellt, weil er mir ohne jetzt ganz unmöglich vorkommt, und der Barmann fragte: „Sind Sie etwa Engländerin?“ Vielleicht bin ich das ja?

Die Briten haben nicht nur meine Essgewohnheiten verändert, sondern auch meine Art, mich in die Schlange zu stellen. Bevor ich hierher gezogen bin, habe ich mich einfach irgendwo dazu gestellt, wo schon andere Leute warteten. Typisch italienisch.

Heute fühle ich mich ganz verloren, wenn eine Warteschlange nicht perfekt aufgereiht ist. Ich weiß nicht, wo ich mich anstellen soll. Und ja, meine Freunde lachen mich alle aus, weil ich sie immer frage, ob wir Italiener wohl jemals so geordnete Warteschlangen werden bilden können.

Die Briten haben mich auch zur Ruhe gebracht. Ihre besonnene, friedfertige Art zu reden und ihre Höflichkeit haben mein hitziges italienisches Temperament und meine Tendenz, mich so schnell über alles aufzuregen, um ein paar Grad heruntergekühlt. Wenn sich zum Beispiel heute jemand vordrängelt, schreie ich ihn nicht mehr an und gestikuliere wie eine Verrückte, sondern ich tippe ihm einfach auf die Schulter und sage: „Would you excuse me?“ Die meisten denken dann, ich bin englisch und lassen mich vor. Ist doch nützlich, oder?

image: Caroline